Der Tag nach dem jüngsten Gericht by Blish James

Der Tag nach dem jüngsten Gericht by Blish James

Autor:Blish, James [Blish, James]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: WILHELM HEYNE VERLAG
veröffentlicht: 2015-10-25T16:00:00+00:00


Ah, natürlich, das war es: Die linke Figur galt als das Höllensiegel von VASSAGO; unter dem rechten Zeichen konnten ihn auch die weißen Magier anrufen. Ware hatte an dieses Gerücht nie so recht geglaubt, denn die weiße Magie ließ keinen Handel mit Dämonen zu, doch nun war er versucht, seine Wirksamkeit zu testen. Vielleicht bot es einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor.

Er hatte sich seit Jahrzehnten nicht mehr mit Hypnose und Ähnlichem befasst – seiner Meinung nach gab es zu viele Pfuscher und Scharlatane auf diesem Gebiet –, aber man brauchte für diese Kunst, soviel er sich erinnerte, nur ein irdenes Gefäß, und selbst ein Waldtümpel genügte, wenn ein wenig Schatten vorhanden war.

Wohin sollte er das Wasser gießen? Alle Behälter waren schmutzig. Nach kurzem Überlegen schüttete er ein paar Tropfen in eine Mulde seines Arbeitstisches.

Er konnte beginnen.

Theron Ware stützte die Ellbogen auf die Tischplatte, vergrub das Kinn in beide Hände und starrte in die winzige Wasserlache. Sein wirrer Haarschopf – er hatte sich seit der Katastrophe keine Tonsur mehr geschoren – warf einen bizarren Schatten. Seit der ersten Anrufung war geraume Zeit vergangen, und Ware spürte, dass er sich am Rand der Selbsthypnose befand. Aber nun glaubte er eine schwache Bewegung in der Mulde wahrzunehmen, einen Lichtreflex oder eine aufsteigende Blase. Ja, ein Funke begann zu glühen, und er wuchs an.

»Eka, dva, tri, chatur, pancha, shas, sapta, ashta, nava, dasha, ekadasha«, zählte Ware. »Per vota nostra ipse nunc surtat nobis dicatus VASSAGO!«

Der Funke nahm die Größe einer Zehn-Lire-Münze an. Gesichtszüge begannen sich zu formen, schön und abstoßend zugleich. Ware hatte den Eindruck, als sähe er das Wesen aus weiter Ferne, aber dennoch klar und deutlich.

Ein schmaler Kopf, dreieckig, ohne Wangenknochen; riesige, schräggestellte Augen, die bis zum Haaransatz verliefen; ein ungewöhnlich langer Nasenrücken; der Mund feucht und rosig wie bei einem kleinen Kind. Haut und Gesichtsfarbe erinnerten an eine japanische Miniaturschnitzerei aus Elfenbein. Man sah keinen Körper, aber das hatte Ware auch nicht erwartet. Schließlich handelte es sich nicht um eine wirkliche Erscheinung, sondern um eine Art Traumbild.

Der winzige Mund bewegte sich, und eine Sopranstimme, rein wie die eines Sängerknaben, drang in Wares Gedanken.

WER IMMER VASSAGO IN SEINEN BETRACHTUNGEN ZU STÖREN WAGT, ER HÜTE SICH!

»Du kennst mich, Dämon der Tiefe«, schickte Ware seine Gedanken aus, »denn einen Pakt hast du mit mir geschlossen und besiegelt in meinem Buch der Bündnisse. Kraft dieses Paktes und kraft des Zeichens, das ich dir hier weise, beschwöre ich dich, wahrheitsgetreu zu antworten auf meine Fragen!«

SO SPRICH!

»Du und deine Brüder – seid ihr noch in der Hölle, oder schwärmt ihr umher auf Erden?«

EINIGE SCHWÄRMEN UMHER, DOCH WIR BLEIBEN AN ORT UND STELLE. DENNOCH BEFINDEN AUCH WIR UNS AUF DER ERDE.

»Wie soll ich das verstehen?«

WIR WEILEN UNTER EUCH, OBWOHL ES UNS NICHT GESTATTET IST, DIE UNTERE HÖLLE ZU VERLASSEN. DIE STADT DIS WURDE NÄMLICH AUF DIE ERDE VERLEGT.

Ware gab sich keine Mühe, sein Entsetzen zu verbergen. Er wusste, dass der Dämon seine Gedanken lesen konnte. »An welchen Ort genau?«

DORT, WO IHR PLATZ WAR VON EWIGKEIT AN – IM TAL DES TODES.



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